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Veröffentlicht von Dennis Kallerhoff

Wo ist der deutsche John Oliver?


John Oliver ist ein britischer Comedian, der auf HBO einmal wöchentlich die Late-Night-Show „Last Week Tonight“ moderiert.

„Langweilig. Gab es in Deutschland mit Harald Schmidt auch schon vor Jahren.“

Wer das sagt, kann nicht weiter daneben liegen.

Aufbau einer Sendung

Das was die einstündige Show auszeichnet, ist die Wahl eines Top-Themas. Dieses wird 15-20 min (a) kritisch und (b) extrem witzig beleuchtet. Der Aufbau eines Beitrags – also eines Themas – folgt diesem Muster:

  • Argument von Befürwortern oder Gegnern durch einen Einspieler aus dem TV/Interview.
  • Bewertung des Arguments mit Zahlen, Studien oder Statistiken.
  • Einordnen des Themas mit einem witzigen Vergleich. John Oliver bedient sich dabei einer sehr bildlichen und eingängigen Sprache.
  • nächstes Argument – gehe zurück auf den Anfang

So weit die Theorie, nun die Praxis. Ein gutes Beispiel ist die Betrachtung der Organisation FIFA (aus Mitte 2014 – vor dem Bekanntwerden der ganzen Skandale):

Die FIFA ist und war natürlich schon immer ein dankbares Opfer für Comedey. Mit seiner Art der Präsentation schafft es John Oliver aber auch kritische, nicht einfache Themen darzustellen. Beispiele: Netzneutralität, Abtreibung, Machenschaften der Tabakindustrie oder Drohnenkrieg der USA.

Das Faszinierende dabei: regelmäßig erhalten seine nach der Sendung veröffentlichten Clips auf youtube mehr als 5 Mio. Clips. Ein Thema wie Netzneutralität erhielt 10 Mio. Clicks. Zeigt mir einen Beitrag auf Deutsch zu diesem Thema, der mehr als 500.000 Views bekommen hat. Warum auch? Das Thema wird in deutschen Medien – wenn überhaupt – totlangweilig dargestellt.

Und bei den Views hört es nicht auf. Im Anschluss der Veröffentlichung des Netzneutralität-Beitrags ging bei der FCC so viel Bürgerfeedback ein wie nie zuvor. Medien wie die New York Times oder Bloomberg schreiben John Oliver einen erheblichen Einfluss auf den (guten) Ausgangs des Themas zu. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Das Time Magazin zählt ihn inzwischen zu den 100 einflussreichsten Menschen.

John Oliver & seine Crew im Hintergrund

Aber warum kommen die (teilweise trockenen) Themen so gut an? John Oliver balanciert perfekt auf dem schmalen Grat zwischen Comedy und Journalismus. Er selbst sagt, dass er Comedy macht. Das glaube ich aber nicht – genauso wie viele andere Medien. Dafür (a) hat er eine zu starke fundierte Meinung zu den Themen bei (b) gleichzeitig top recherchierten Beiträgen. Ein Beispiel: Im Rahmen des Beitrags über die Miss America Organization forderte das Team Steuerunterlagen aus über 50 Bundesstaaten an und wertete diese aus. Hinter der Sendung steht ein Recherche-Team bestehend aus 4 Personen mit journalistischem Hintergrund (2x New York Times, 1x Al Jazeera, 1x ProPublica) welche die Themen recherchieren. Das ganze wird um 8 Autoren + x weitere Personen ergänzt. Das geht weiter über „normale“ Comedy hinaus.

Und Deutschland?

Die Show ist großartig. Ich würde mir ein solches Format auch in Deutschland wünschen. Zurzeit sehe ich nichts vergleichbares:

  • die heute show versucht aktuelle Nachrichten auf eine witzige Art und Weise darzustellen. Allerdings fehlt die ernsthafte Beschäftigung mit einem Thema.
  • das neo magazin ist deutlich mehr im Bereich Comedy angesiedelt und hat mit Journalismus wenig zu tun. Politisch (und gut) ist die Sendung trotzdem.

Warum gibt es nichts vergleichbares? Ein Grund ist wahrscheinlich der hohe Aufwand einen solchen Beitrag zu recherchieren. Zudem ist es in Deutschland schwieriger an die Einspieler heranzukommen. In den USA ist es Pflicht, dass jede Sendung transkribiert wird. Dann gibt es Dienstleister wie snapstream, die alle TV-Beiträge durchsuchbar machen. Auf einen Click bekommt das Team von Last Week Tonight alle TV-Clips zu einem bestimmtem Thema.

In Deutschland empfiehlt das Rundfunkgesetz nur folgendes:

„Die Veranstalter sollen über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ihrer technischen und finanziellen Möglichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt aufnehmen.“

Während die öffentlich-rechtlichen zumindest einen Teil des Abendprogramms transkribieren, haben die privaten Sender hier deutlich Nachholbedarf. Der Aufwand an die Einspieler zu kommen wäre dementsprechend höher. x Stunden Sendung müssten tatsächlich geschaut werden.

Irgendwie aber trotzdem schade, dass es eine vergleichbare Show nicht in Deutschland gibt. Dann muss ich wohl weiterhin mit den John Oliver Clips auf youtube vorlieb nehmen.


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