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Veröffentlicht von Dennis Kallerhoff

Nordirland: Belfast – der vergessene Konflikt


In den 80/90er Jahren war in vielen Reiseführern von den vier B’s die Rede: Bagdad, Beirut, Bogota und Belfast – Städte, die zu meiden sind. Es war die Hochzeit des Nordirland-Konflikts. Ein Konflikt zwischen englisch- und schottisch-stämmigen unionistischen Protestanten und irisch-nationalistischen Katholiken. Ein Konflikt, der in seinen über 30 Jahren mehr als 3.500 Menschenleben kostete. Heute kann man die Stadt sehr gut besuchen. Kay und ich waren auf unser Nordirlandreise dort. Es ist kein Kriegsgebiet mehr. Der Konflikt ist aber auch heute noch deutlich sichtbar.

Die Mauer

Ich halte mich für eine geschichtlich und politisch gebildete Person. Dass die Stadt Belfast noch heute durch eine Mauer getrennt ist wusste ich nicht. Zwischen den protestantischen und katholischen Vierteln steht eine Wand – höher als die Berliner Mauer. Sie verläuft zwischen zwei Straßen, die einst besonders berüchtigt waren: die protestantische Shankill und die katholische Falls Road. Vor ein paar Jahren wurde die Mauer noch einmal mit einem Zaun erhöht. Bei einer Abstimmung, ob die sie abgerissen werden soll, sprach sich eine große Mehrheit der nahe der Mauer lebenden Menschen dagegen aus. Im Gegensatz zu Kriegszeiten hat das Bauwerk inzwischen Tore für Autos und kann passiert werden – allerdings nur tagsüber. Zwischen 9pm und 6am werden die Tore geschlossen. Die einzige Möglichkeit nachts aus einem (überwiegend) protestantischen Viertel und ein katholisches Viertel zu kommen ist durch das Zentrum außen um die Mauer herum zu fahren – wie in Kriegszeiten. Die Häuser direkt an der Mauer sind durch Gitter vor rüberfliegenden Steinen geschützt.

Spannungen

Auch sonst sind in der Stadt noch viele Bilder bzw. Graffitis vorhanden, die einen nicht vergessen lassen, dass die Spannungen zwischen den Volksgruppen immer noch existieren. In einem Stadtviertel siehst du nur englische/nordirische Flaggen wehen, keine 200m weiter sind nur irische Farben zu sehen.

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Der Nordirland-Konflikt wurde mit dem Karfreitagsabkommen 1998 offiziell beendet. Und was tödliche Gewalt angeht, kann man den Konflikt auch als beendet ansehen. Die IRA (auf katholischer Seite) und die UDF & UDA (auf protestantischer) Seite hörten auf zu existieren. Zumindest offiziell. Die Organisationen haben auf gewöhnliche Kriminalität umgesattelt. Terroranschläge auf zivile, militärische und polizeiliche Ziele gehören nicht mehr zum Repertoire.

Es muss „komisch“ gewesen sein in der Zeit des Nordirland-Konflikts aufzuwachsen. „Wenn du in den Pub gegangen bist, dann hast du dich mit dem Gesicht zur Tür gesetzt, ganz automatisch. Du wolltest sehen wer reinkommt. Wenn es ein Fremder war, verstummte der gesamte Pub. Alle Augen waren auf den Neuankömmling gerichtet.“, erzählte Bryan, unser Host in Newcastle.

Ich kann jedem eine Reise nach Belfast empfehlen. Noch nie war ich in einer europäischen Stadt, wo die Spuren eines Konflikts aus der jüngeren Vergangenheit noch so präsent sind. Und jetzt weiß ich, dass in Belfast eine Mauer steht – und werden es nicht vergessen.

PS: An dieser Stelle noch einmal ein ganz herzlichen Dankeschön an Keith, für eine tolle 90min Tour in einem BlackTaxi durch Belfast. Sehr zu empfehlen.


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