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Veröffentlicht von Dennis Kallerhoff

Lesemonate Juli: „Kopf schlägt Kapital“ – oder: Die Mär der einfachen Gründung


Aktuell verbringe ich viel Zeit auf unserem Balkon in Biot. Es ist Urlaub. Die Sommersonne vertreibt die Bleiche aus meinen Gesicht und ich komme zum Lesen. An der Reihe ist: „Kopf schlägt Kapital“ von Günter Faltin – oder: die ganz andere Art ein Unternehmen zu gründen. Von der Lust ein Entrepreneur zu sein.

Das Buch von 2012 ist eine Ode an das Gründen. Herr Faltin räumt mit vielen – teils inzwischen selbstverständlichen – Vorurteilen zum Gründen auf. Seine Grundthese: jeder kann gründen. Besonders geeignet ist dafür eine Konzept-Gründung – im Gegensatz zu einer Hightech-Gründung. Einer Konzeptgründung liegt eine einfache, gut durchdachte Idee zugrunde – eine clevere Kombination von Komponenten, die durch Dritte bereitgestellt werden.

Als Beispiel dafür wird die Teekampagne genannt, eine Gründung des Autoren aus den 80er Jahren. Die Teekampagne verkauft nur eine einzige Teesorte ohne Zwischenhändler in Großpackungen. Beste Qualität zu günstigen Preisen.

Bewertung – Die Mär der einfachen Gründung

Ich werde mit dem Buch nicht warm. Interessante Kapitel wechseln sich mit Kapitel ab, die mich kopfschüttelnd zurücklassen. Kapitel 7: „Im Konzert der Großen mitspielen“. Kopfschütteln. Kapitel 9: „Einfluss von Unternehmensgründungen auf die Gesellschaft“. Cool! Kapitel 10: „Bildung & Entrepreneurship“. Smarte Gedanken.

Generell fehlt mir der rote Faden. Einzelne Thesen werden zu häufig wiederholt. Es erinnert an englische Wirtschaftsliteratur, die einen Kernpunkt durch möglichst häufiges Wiederholung in den Kopf hämmern möchte. Bei mir führt dieser Stil eher dazu, dass ich nur Zusammenfassungen dieser Bücher bei GetAbstract lese.

Was man dem Buch zugute halten muss: es macht Lust auf das Thema Gründung. Und damit hat es wahrscheinlich seinen Zweck erfüllt. Ich frage mich nur, ob jemand, der vorher nie mit Gründungen oder Startups zu tun hatte, nicht mit einer falschen Vorstellung an das Thema heran geht. Natürlich leben manche Gründer die Vier-Stunden-Woche à la Tim Ferris. Es ist allerdings die Ausnahme. Natürlich gibt es Gründungen, die direkt vom Start weg Clash-Flow positiv sind. Aber auch das ist die Ausnahme, da selbst die „Komponenten“ mit Fixkosten verbunden sind.

Zusammengefasst: an vielen Stellen haben Günter Faltin und ich fundamental andere Ansichten zum Thema Gründung. Es lohnt seine Kernthesen näher zu betrachten.

Laut Herr Faltin gibt es drei Schritte, „mit denen wir die Landschaft des Unternehmerischen radikal verändern können.“

Idee wertvoller als die Ausführung?

Der erste Schritt besteht darin, zu erkennen, dass gute Konzepte heute wichtiger sind als Kapital.

Dem stimme ich zur Hälfte zu. Ja, Gründungen benötigen heute weniger Kapital. Früher waren sie einer geringen Anzahl von vermögenden Menschen vorbehalten, heute kann ein Unternehmen durch Arbeitsteilung und Outsourcing sehr viel einfacher gegründet werden. Zudem steht in Zeiten billigen Geldes für gute Ideen (mit guten Teams) genug Kapital zur Verfügung.

Allerdings: Was ist mit dem Thema Ausführung? Alex hatte es in einem Vortrag schön auf den Punkt gebracht: „Eine erfolgreiches Startup ist Produkt aus Idee, Team, Ausführung & Timing“. Fällt ein Faktor raus, ist das Produkt auch 0. Eine gute Idee ohne das passende Team und eine gute Ausführung ist nichts wert. Auf den Punkt der Ausführung & der Teams wird mir in „Kopf schlägt Kapital“ zu wenig Wert gelegt. Das Buch suggeriert, dass die Arbeit mit einem guten Ideen-Konzept getan ist. Sicher nicht!

Der nächste Schritt besteht darin, viel radikaler als bisher Arbeitsteilung auch auf dem Gebit des Entrepreneurshop anzuwenden. Die Vorstellungen, dass Entrepreneuere in allen Bereichen ihres Unternehmens einschlägig vorgebildet sein müssen, führt zwangsläufig zu ihrer Überforderung.

Dem stimme ich weitgehend zu. Eines der ersten Entscheidungen nach der Gründung der dealzeit GmbH war es, die Buchhaltung outzusourcen. Diese Entscheidung hat sich belohnt gemacht und sorgte dafür, dass Steuerprüfungen keinen Angstschweiß auslösen. Auch haben wir gerade in der Anfangszeit mit befreundeten Entwicklern und Marketing-Unternehmen zusammengearbeitet.

Der Gründer kann sich nicht in allen Bereichen tief auskennen. Aber: es ist wichtig als Gründer in allen Bereichen die richtigen Fragen stellen zu können. Mein Anspruch ist: ich möchte erkennen, wenn mir jemand Mist erzählt.

Der dritte Schritt besteht darin, ein Unternehmen aus Komponenten zusammenzusetzen. Arbeitsteilung und Spezialisierung eröffnen die Möglichkeit, ein Unternehmen fast vollständig aus Komponenten zu bilden.

Nope, das glaube ich nicht. Natürlich macht es Sinn auf bestehenden Komponenten aufzusetzen. Das Hosting von dealzeit lief über AWS bzw. Heroku. Das Projektmangement über Basecamp. Und so weiter und so fort.

Ich glaube nur, dass ein Unternehmen, welches ausschließlich aus Komponenten zusammengesetzt ist, in einem digitalen Umfeld auf Dauer keinen Wettbewerbsvorteil hat. Was hält andere Unternehmen davon ab, diese Komponenten nicht auch so zusammenzusetzen – gerade in Zeiten, in denen Dienstleistungen transparent und öffentlich einsehbar angeboten werden?

Ich glaube, jedes Unternehmen braucht in der Ausführung mind. eine Sache, die es besser kann als der Wettbewerb. Sei es durch Prozesse, Tools, Menschen oder Technologie. Es kann die besten Artikeldaten-Mangement der Welt sein. Oder das effizienteste Performance Marketing der Welt. Oder Wissen, wie man auf Amazon besser Produkte verkauft.

Das Abwerfen des Ballasts der Unternehmensverwaltungg räumt den Weg frei, sich auf die Arbeit am Konzept zu konzentrieren. Wo Künstler Rahmen, Leinwand und Farbe nicht selber herstellen müssen, kann den schöpferischen Akt des Malens in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit stellen und alle Kräfte auf dieses Element fokussieren.

Der Vergleich hinkt. Natürlich macht es keinen Sinn, dass ein Künstler von null anfängt. Es bietet keinen Wettbewerbsvorteil, wenn der Künstler die Leinwand selber herstellt. Wahrscheinlich ist die Qualität sogar schlechter.

Auf der anderen Seite ist es sehr wohl ein Vorteil, wenn der Gründer die gute Ausführung seiner Idee sicherstellt. Er hält mit seiner Unternehmensvision das Team zusammen, er entwickelt aus dem Kundenfeedback das Produkt weiter. Wie Gero Decker in der Podcast-Reihe „The Art of B2B-Sales“ sagte: „Die ersten Sales muss der Gründer selber machen.“ Das glaube ich auch.

Fazit

Es steht mir nicht zu, die Arbeit eines erfolgreichen Professors und Unternehmern zu kritisieren. Aus Beobachtung und eigenen Erfahrungen glaube ich nur, dass eine Gründung nicht so einfach ist wie es im Buch „Kopf schlägt Kapital“ dargestellt wird.


E-Commerce Junkie seit 2006 | Freund von Digitalisierung, Automatisierung und guten Online-Strategien

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