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Veröffentlicht von Dennis Kallerhoff

Microsoft 2.0 – Azure statt Windows


Das Unternehmen, welches mich in den letzten Jahren am meisten beeindruckt hat ist nicht Amazon, nicht Google, nicht Facebook, nicht Twitter. Kein E-Commerce-Unternehmen. Es ist Microsoft.

In meiner Jugend war Microsoft der 800 Pfund Gorilla, um den niemand rum kam, den aber niemand richtig mochte. Es gab Windows, Office und einige Programme drum herum. Steve Ballmer passte zum Bild des 800 Pfund Gorillas: wirtschaftlich erfolgreich, aber unbeliebt.

Dann kam das Web. Google, Facebook & Co überholten Microsoft in der öffentlichen Wahrnehmung, spielten für die Endnutzer eine größere Rolle. Apple legte ein fulminantes Comeback hin. Von Microsoft sprach kaum jemand mehr. Microsoft war ein profitables Unternehmen, aber strategisch ein abgeschriebenes Relikt.

Im Februar 2014 übernimmt Satya Nadella die Rolle des CEOs. Und drehte Microsoft.

Ein Rückblick – wie Windows strategisch irrelevant wurde

Microsoft ist als Plattform groß geworden. Windows war die Plattform über die fast jeder Endnutzer mit Software interagierte: sei es Adobe Photoshop oder Office. Microsoft war dann erfolgreich, wenn Software-Partner auf seiner Plattform erfolgreich waren.

Vor allem der Enterprise-Bereich war fest in Microsoft-Hand. Microsoft platzierte Windows als DIE Basis für Unternehmenssoftware. Office, SAP, Adobe Photoshop, Outlook, .NET – auf Windows gab es im Enterprise-Bereich die relevante Software und die beste UX. Damit war Microsoft der erste Ansprechpartner für Unternehmen. Microsoft beherrschte das Spiel in einer konzentrierten Wettbewerbsarena wie kein zweiter, mit Windows als Plattform und einer überschaubaren Anzahl von Software-Partnern. Es machte Bill Gates zur reichsten Person der Welt.

Dann kam das mobile Web und änderte vieles. Aus einem konzentrierten Spielfeld wurde ein fragmentieres Spielfeld. Mobile Endgeräte und eine device-übergreifende Nutzung fördern SaaS-Services, führen zu einem verteilten Software-Umfeld ohne zentrale Plattform. Das offene Web ist die Plattform. Das Betriebssystem Windows ist als Wettbewerbsvorteil irrelevanter geworden.

Zudem findet eine engere Kopplung zwischen Endgeräte und Nutzer statt. Apple (iPhone) und Google (Android) freut es, sie besitzen den Endkundenzugang. Microsoft nicht: Endgeräte waren keine Stärke von Microsoft.

Zusammengefasst: Microsoft hat in vielen Fällen den direkten Kundenzugang verloren und hat keinen unfairen Wettbewerbsvorteil mehr. Vieles sprach gegen Microsoft.

Wie Nadella das Unternehmen um 180° drehte

Nadella änderte v.a. zwei Sachen: (a) Windows war nicht mehr der Mittelpunkt des Microsoft-Universums und (b) er setzte einen starken Fokus auf die Cloud.

In seinem ersten unternehmensweiten Memo schrieb Nadella:

More recently, we have described ourselves as a “devices and services” company. While the devices and services description was helpful in starting our transformation, we now need to hone in on our unique strategy. At our core, Microsoft is the productivity and platform company for the mobile-first and cloud-first world. We will reinvent productivity to empower every person and every organization on the planet to do more and achieve more.

Das übergeordnete Thema Produktivität steht im Vordergrund. Im Memo kommt das Wort „Cloud“ 21x vor, „Productivity“ 18x und „Windows“ nur 13x. Ein deutlicher Unterschied zur Ära von Steve Ballmer. Wichtiger als die eigene Plattform Windows, sind nun Lösungen für Unternehmen rund um das Thema Produktivität – unabhängig vom verwendeten Device & Betriebssystem.

Das beinhaltet (a) Microsoft Services (Skype, OneDrive, OneNote, Outlook, Word, Excel, PowerPoint, Bing und Dynamics) wie auch (b) die Bereitstellung von internen, proprietären Unternehmenstools in der Cloud. Gerade (b) mit Azure als zugrundeliegende Cloud-Infrastruktur ist das Wachstums-Zugpferd der letzten Jahre.

Viele Unternehmen sind erst jetzt dabei sich mit Cloud-Computing zu beschäftigen. Warum? Durch eine parallele Nutzung verschiedener Devices, ist eine on-premise Installation zunehmend unpraktischer. Microsoft möchte mit Azure der Partner sein, der Unternehmen auf dem Weg in die Wolken begleitet und bei der Migration hilft.

Wenn man recht überlegt, ist die Cloud-Plattform Azure ein Windows 2.0. Microsoft stellt mit Azure die (Cloud-)Plattform für Unternehmen bereit und hält den Kundenzugang. Drittanbieter (SaaS-Services) haben perspektivisch einen besseren Zugang zu Unternehmen, wenn sie sich einfach in Azure integrieren lassen. Klingt ähnlich wie damals mit Windows: ein konzentriertes Wettbewerbsumfeld mit wenigen (Cloud-)Teilnehmern. Es ist das Spiel mit dem Microsoft groß geworden ist. Bundles an Unternehmen verkaufen.

Den beschriebenen Weg bestreitet Microsoft erfolgreich. Microsoft ist die klare #2 im Cloud-Bereich und baut seinen Marktanteil deutlich aus, während AWS (auf hohem Niveau) stagniert. Ich glaube dieser Trend wird sich fortsetzen und ich kann mir vorstellen, dass Microsoft irgendwann #1 in diesem Bereich wird.

Dabei helfen wird das Thema IOT – das Internet of Things. Durch die Vernetzung von Maschinen wird es noch mehr Daten geben, die verarbeitet werden müssen. So viele Daten, dass ein eigenes Hosting für viele Unternehmen zunehmend unmöglich wird. Dies wird einen weiteren Push Richtung Cloud geben. Für diese Unternehmen steht mit Microsoft der alte, verlässliche Partner bereit.

Daher ist es wenig überraschend, dass Microsoft auch die Entwicklung eines eigenen Microchips investiert. Azure Sphere ist ein Microchip für das Internet der Dinge, der auf einem Linux-Kernel und ARM-Prozessor basiert, die Daten aber direkt in die Cloud schickt – natürlich zu Azure. Ein Microchip als CRM-Maßnahme.

Ausblick – himmlisch mit der Cloud

Ich glaube Microsoft hat eine positive Zukunft vor sich, unter Nadella wirkt das Unternehmen sogar sympathisch. Mit Azure hat Microsoft ein Windows 2.0 geschaffen. Sie nutzen ihre Business-Kontakte, um gemeinsam mit Partnern in das neue Zeitalter zu gehen. Dazu passend die letzten Nachrichten:


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