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Veröffentlicht von Dennis Kallerhoff

Open Source Technologie und die Cloud-Bullies – dunkle Wolken am Horizont


Open Source Technologie – die großen Cloud-Bullies machen dir das Leben schwerer! Sie haben ein Loch in dein Portemonnaie geschnitten und stecken die Hälfte deines Geldes in die eigenen Taschen. Straßenzoll sozusagen.

In der letzten Ausgabe von exponent, dem extrem spannende Podcast mit Ben Thompson und James Allworth, ging es um Open Source, und darum wie Venture Capital finanziertes Open Source Technologien eine schwierige Zukunft vor sich haben. Die Gedanken der beiden Hosts sind nachvollziehbar, und haben mir einen anderen Blick auf Open Source und Cloud Anbieter beschert.

Denken wir an die 90er und 2000er Jahre zurück. Im B2B-Umfeld war der Software-Markt (Frontend) weitgehend zentralisiert. Microsoft war das dominierende Betriebssystem mit einem Marktanteil von über 95%. Wer einen PC wollte, musste über die Plattform Windows gehen gehen. Microsoft war gleichzeitig der dominierenden Software-Anbieter auf der Plattform Windows: egal ob Office-Programme, Email oder Active Directory.

Anders im Backend: es waren die Hochzeiten von Dell, Oracle, HP und IBM – ein Oligopol auf Hardware-Seite und ein florierendes Ecosystem Integratoren & Hosting-Anbietern. Eine Mischung aus Open Source und kommerzieller Software. Das Backend war fragmentiert. Das Fehlen einer zentralen Instanz lässt den einzelnen Teilnehmern der Wertschöpfungskette ein größeren Teil des Geldstroms. Das zieht Unternehmen, Neugründungen und Risikokapital an. Wie das funktioniert, lässt sich am Beispiel von MongoDB nachvollziehen.

VC-finanziertes Open Source am Beispiel von MongoDB

MongoDB ist eine Dokumenten-orientierte NoSQL-Datenbank, in der Daten weitgehend unstrukturiert verwaltet werden können. Eine Anforderung die in Zeiten von BigData zunehmend wichtiger und von vielen anderen Datenbank-Anbietern aufgegriffen wird.

Die Datenbank erblickte 2009 das Licht der Welt, wurde bis dahin maßgeblich vom Unternehmen 10gem (heute: MongoDB Inc.) vorangetrieben. Um in der Entwicklergemeinde Traktion zu bekommen, wurde die Technologie als OpenSource unter der GNU Affero General Public Lizenz (bis Oktober 2018) veröffentlicht. Und das mit der Traktion funktionierte ziemlich gut – die Datenbank-Technologie wurde über 40 Mio. Mal heruntergelande. Heute ist MongoDB die am weitesten verbreitete NoSQL-Datenbank.

Das Unternehmen verdiente Geld über Consulting, Cloud-Services für kleine Kunden und Verwaltungstools für Enterprise-Kunden – kurz gesagt: Komfort. In zwölf Finanzierungsrunden sammelte MongoDB über 311 Mio. USD Risikokapital ein, unter anderem von In-Q-Tel, Intel Capital, Sequoia Capital und Union Square Ventures. Dem Who is Who der Risikokapitalgeber. Am 27. Oktober 2017 ging die MongoDB Inc. an die Börse mit einem Kurs von 26,40€. Dieser Kurs hat sich seitdem fast vervierfacht. Jeder hat gewonnen. Das Unternehmen ist 2018 umsatzseitig um 54% gestiegen und beschäftigt heute über 1.000 Mitarbeiter.

Eine Erfolgsgesichte. Aber eine die sich wahrscheinlich nicht wiederholen wird. Warum?

Mobile, die Cloud und eine Zentralisierung im Backend

Juni 2007. Steve Jobs enthüllt der Welt das iPhone mit einem revolutionär anderem Interface. Die mobile Ära der Smartphones hat sich alles geändert. Die Entstehung der Cloud-Services von AWS, Microsoft Azure & Co. ist eine indirekte Folge der mobile Entwicklung.

Plötzlich reicht es nicht mehr Software auf einem Gerät (Laptop oder PC) laufen zu haben. Die Software muss auch Mobile und über Tablets abrufbar sein, mit einem einheitlichen Datenstand auf allen Devices. Seamless, wie es so schön heißt. Dafür müssen die Software-Anbieter weg von einer lokalen Datenhaltung auf dem Endgerät, hin zu einer zentralen Datenhaltung in der Cloud.

In Folge dessen hat es eine explosive Fragmentierung bei Frontend-Software gegeben. Hippe Anbieter für B2B-Software wie Workday, Adobe Creative Cloud, Intuit, etc. wachsen, die genau den Bedarf nach Device-übergreifendem Arbeiten erfüllen.

Im Backend passierte etwas gegenläufiges: die fragmentierte Anbieter-Landschaft ist zusammengeschrumpft. Die steigende Nachfrage nach Cloud Produkten konzentriert sich heute auf Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud Services.

Die Internet-Giganten sind die größten Betreiber von Rechenzentren und damit die führenden Anbieter von Cloud-Computing-Services, die im Wesentlichen Rechenleistung (Compute) und Speicher (Storage) verkaufen. Sie profitieren davon, dass Unternehmen nicht mehr Verträge mit zig verschiedenen Unternehmen schließen möchten, sondern alle Leistungen aus einer Hand bekommen wollen. Kurz gesagt: sie verkaufen Komfort, und das mit hohen Margen. Dies ist gut für die oben genannten Anbieter, schlecht für alle anderen Technologie-Anbieter.

Der Cloud-Bullie am Straßenrand

Durch die Konzentration im Backend auf wenige Marktteilnehmer verschiebt sich die Wertschöpfung zugunsten von AWS, Microsoft und Google. Sie haben den Kundenzugang, und nehmen sich ein gutes Stück vom Geldkuchen.

Für neue Unternehmen fällt die Erlösquelle „Betrieb as a Service“ weg – genau einer der Hauptsäulen, mit denen MongoDB groß geworden ist. Auch die Verwaltungstools sind stand-alone nicht zu verkaufen.

Wenn eine Software am Markt Traktion gewinnt – und OpenSource ist – können die großen Cloud-Anbieter diese in ihren Service-Katalog integrieren. Am 09. Januar 2019 veröffentlicht Amazon in seinem AWS-Blog den neuen Datenbank-Service DocumentDB – mit MongoDB-Kompabilität:

Today we are launching Amazon DocumentDB (with MongoDB compatibility), a fast, scalable, and highly available document database that is designed to be compatible with your existing MongoDB applications and tools. Amazon DocumentDB uses a purpose-built SSD-based storage layer, with 6x replication across 3 separate Availability Zones. The storage layer is distributed, fault-tolerant, and self-healing, giving you the the performance, scalability, and availability needed to run production-scale MongoDB workloads.

Das nennt man den Mittelfinger in das Gesicht von MongoDB Inc. zeigen.

Weniger VC-finanziertes OpenSource, schlecht für die OpenSource allgemein

OpenSource ist nicht tot. Es wird nicht weggehen und bietet viele Vorteile. Aber: für OpenSource-Technologie, die durch ein VC-finanziertes Unternehmen groß wird, sehe ich dunkle Wolken am Horizont. Die klassischen Erlösströme für Technologie-Anbieter – Hosting as a Service, Verwaltungstools – fallen weg. Die Erlöse gehen zukünftig zu großen Teilen an die Cloud-Anbieter. Es bleibt Consulting, welches nur durch Menschen und nicht durch Technologie skaliert. Für VCs uninteressant.

GitHub hat die beliebtesten OpenSource-Projekte auf github veröffentlicht.

Open Source ProjectContributers
1Microsoft/vscode19K
2facebook/react-native10K
3tensorflow/tensorflow9.3K
4angular/angular-cli8.8K
5MicrosoftDocs/azure-docs7.8K
6angular/angular7.6K
7ansible/ansible7.5K
8kubernetes/kubernetes6.5K
9npm/npm6.1K
10DefinitelyTyped/DefinitelyTyped6.0K

Mindestens die Hälfte der Projekte lässt sich klar mit einzelnen Unternehmen verbinden, ohne die es unwahrscheinlich gewesen wäre, dass die Technologie so populär wird. Durch einen schwierigeren Zugang zu VC werden dies in Zukunft wohl weniger Unternehmen sein – und das kann die OpenSource-Gemeinde nicht freuen. Und es wäre auch langweilig, wenn nur aus den GAFAs neue Open Source-Technologie kommen.

Fotoquelle: Melanie Magdalena on Unsplash


E-Commerce Junkie seit 2006 | Freund von Digitalisierung, Automatisierung und guten Online-Strategien

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